Wetter aktuell
Wintereinbruch ? oder doch nur spätherbstliches ?Geflöckel??
Ein möglicher Wintereinbruch in den kommenden Tagen wird in den
Medien ja schon seit einiger Zeit thematisiert. Wie sich das in den
kommenden Tagen wahrscheinlich gestalten sollte und welche
Unsicherheiten noch in den Vorhersagen stecken, damit beschäftigt
sich heute das Thema des Tages.
In einem herrscht Einigkeit: Polare Luftmassen werden in den
kommenden Tagen bei uns das Wettergeschehen bestimmen. Es wird
kälter, und mit sinkender Schneefallgrenze steigen unweigerlich die
Chancen auf Schnee. Eine wesentliche Rolle im Wetterablauf der
kommenden Tage nimmt dabei das kleinräumige Tief TALAT ein. Es ist
aktuell (Dienstagmittag) auf den Wetterkarten noch über Schottland zu
erkennen, soll aber in den kommenden 36 Stunden über die Nordsee und
den Norden Deutschlands hinweg zur Ostsee ziehen.
In Abbildung 1 ist nicht nur die Zugbahn des Tiefs schematisch
abgebildet, sondern oben rechts in der Ecke auch ein Ausschnitt der
Frontenvorhersagekarte vom gestrigen Montag mit Zieltermin heutiger
Dienstag um 12 UTC (13 MEZ). Tief TALAT bildet dabei den
südwestlichen Schwerpunkt eines großräumigen Tiefdruckkomplexes, der
sich über Skandinavien und weite Teile Nordwestrusslands erstreckt.
Tief TALAT blockiert für die Polarluft (blaue Pfeile) aber
andererseits auch den direkten Weg nach Mitteleuropa. Entsprechend
zeigen die in der Frontenvorhersagekarte dargestellten Isobaren auch
eine deutliche ?Beule? in Richtung Südwesten, um die die Polarluft
herumgeführt wird.
Wenn TALAT also in den nächsten Tagen seinen Platz räumt, freuen sich
die Eisbären über die für ihre Spezies kommoden Temperaturen. In der
zweiten Wochenhälfte liegen die Maxima am Tage nur noch in einer
Spanne von 0 bis +5°C, im Süden wird es wohl Ecken geben, an denen
die Werte nicht über den Gefrierpunkt steigen. Und ab der Nacht zum
Freitag gibt es dann überall leichten Frost bis -5°C, im Süden
gebietsweise auch mäßigen Frost unter -5°C.
Bleibt für den Wintereinbruch aber noch die Frage nach dem Schnee ?
über den sich dann vielleicht die Schneehasen freuen. Bei der
Beantwortung dieser Frage spielt TALAT auch eine wesentliche Rolle.
Denn genau im Bereich der Zugbahn des Tiefs erwarten manche Modelle
recht kräftige Niederschläge. Beispielhaft dafür ist in Abbildung 2
(unten) die Lösung unseres DWD-Modells ICON-EU für den 24-stündigen
Schneeanteil bis Mittwochabend angegeben. Auffällig ist über
Norddeutschland der Streifen vom nördlichen Emsland und Ostfriesland
bis zur schleswig-holsteinischen Ostseeküste ? ein Streifen, der
recht gut zur Verlagerung von TALAT passt (Abbildung 1). Nimmt man
das Modell beim Wort, sollen nördlich von Hamburg bis zu 14 l/m2 in
fester Form fallen.
Aber wieviel Schnee ergibt das dann? Da es sich voraussichtlich um
Nassschnee handelt, dürfte ein grober Umrechnungsfaktor pro 2 l/m2
Wasseräquivalent etwa 1 cm Schnee ergeben. Damit sagt das Modell
punktuell knapp über 5 cm Neuschnee vorher. Allerdings muss man
sagen: ICON-EU prognostiziert eine recht weit südlich verlaufende
Zugbahn mit Schneefall vor allem auf der kalten Seite des Tiefs. Und
die Niederschläge fallen zumeist ausgangs der Nacht und am Vormittag
des Mittwochs, was vom Tagesgang her recht günstig ist.
Andere Modelle bieten andere Lösungen. Recht plakativ ist das in
Abbildung 2 beim Vergleich des unten dargestellten ICON-EU mit dem
oben dargestellten britischen Modell UK10 zu erkennen. Laut dieser
Modelllösung kann es im Küstenumfeld mal ein bisschen Schnee geben,
ohne dass sich dabei bis Mittwochabend nennenswerte Schneehöhen
ansammeln. Wahrscheinlich ist es sogar so, dass der Bodenwärmestrom
den Schnee schnell dahinrafft. Dies auch deshalb, weil sich das Tief
bei UK10 langsamer verlagert und in der Folge vorderseitig die
Warmluftadvektion länger anhält als bei ICON-EU, außerdem setzen die
Niederschläge insgesamt später ein bzw. werden erst ab der
Mittagszeit kräftiger ausfallen, dann wenn die Temperaturen ihr
Maximum erreichen und der Schnee es auch grundsätzlich schwerer hat,
eine Schneedecke zu bilden.
Je mehr Modelle man sich anschaut, desto mehr Lösungen ergeben sich.
Insgesamt würde von dieser Stelle die Prognose lauten: Die
Norddeutsche Tiefebene bleibt abgesehen von unmittelbar im
Einflussbereich des Tiefs gelegenen Bereichen schneefrei bzw. eine
eventuelle dünne Schneedecke taut schnell wieder ab.
Nach der komplexen Analyse der Situation im Norden fällt der Blick
auf die nördlichen Mittelgebirge, die in Abbildung 2 ja ebenfalls zu
erkennen sind. Dort sind die Unterschiede nicht ganz so gravierend.
Bis in mittlere Lagen kann es bis Mittwochabend Schnee geben, laut
ICON schaffen es ein paar Flocken auch bis ?ganz runter?. Dabei sind
aber auch dort die Mengen keinesfalls üppig, um 5 cm Neuschnee in den
Hochlagen, auf exponierten Gipfeln um 10 cm, mehr wird es wohl nicht
werden. Und auch hier arbeitet der Bodenwärmestrom gegen den Schnee,
wenn auch in höheren Lagen nicht ganz so kräftig wie im Norden.
Die Schneefälle über der Mitte sind dabei an die Kaltfront von Tief
TALAT gekoppelt. Dass im Erzgebirge und im Fichtelgebirge kein Schnee
verzeichnet wird liegt schlicht daran, dass zu diesem Zeitpunkt die
Front noch nicht so weit nach Südosten vorangekommen ist. Erst in der
Nacht zum Donnerstag beginnt es im Südosten zu schneien. Aber auch in
den südlichen Mittelgebirgen sind die Schneemengen insgesamt
überschaubar, und in den nördlichen Mittelgebirgen kommt wegen des
dann zunehmenden Hochdruckeinflusses wohl nicht mehr viel Schnee nach
? auch wenn der Zustrom polarer Luftmassen anhält. Nur an den Alpen,
wo der Schneefall bis in den Freitag anhält, werden üppigere
Schneemengen bis in den mittleren zweistelligen cm-Bereich erwartet -
grob abgeschätzt könnten dort in Staulagen insgesamt bis zu 40 cm
Neuschnee zusammenkommen.
Dipl.-Met. Martin Jonas
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 18.11.2025
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